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Leseprobe
Die Entstehung des Erdbeerpflückers
Verschiedene Ausgaben des Erdbeerpflückers
Der Erdbeerpflücker auf Englisch: The Strawberry Picker
Der Erdbeerpflücker auf Französisch: Le cueilleur de fraises
Der Erdbeerpflücker auf Niederländisch: De aardbeienplukker
 

 

 

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Leseprobe aus:
                             
 

Es war einer dieser Tage, an denen man die Hitze riechen konnte. Die von der Sonne verbrannte Haut. Den Schweiß, der aus sämtlichen Poren trat, sobald man sich bewegte. Einer dieser Tage, die ihn kribblig machten und gereizt. An denen man ihm besser nicht in die Quere kam.

Die andern hatten sich allmählich daran gewöhnt. Sie ließen ihn in Ruhe arbeiten, sprachen ihn nicht an, dämpften sogar die Stimme, wenn er an ihnen vorbeiging.

Er konnte nicht verstehen, dass es Menschen gab, die immerzu redeten. Sie machten keinen Unterschied zwischen Wichtigem und Unwichtigem, überschütteten einfach alles mit ihren kleinen, dummen, aufgeregten Worten. Schon als Kind hatte er gelernt, sich dagegen zu wappnen, indem er sich in sich selbst zurückzog. Er liebte es zu sehen, wie die Lippen seines Gegenübers sich bewegten, ohne dass auch nur ein Ton seine Ohren erreichte. Wie ein Fisch, dachte er dann. Wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Früher hatte er für solche Rückzüge Schläge kassiert. Heute merkte niemand mehr, dass er abgetaucht war. Die meisten Menschen waren armselig und dumm wie ihre Worte.

Noch eine Stunde, dann würde es Mittagessen geben. Er würde das rasch hinter sich bringen und sich wieder an die Arbeit machen.

Er wusste, wohin diese Unruhe ihn brachte, wenn er sich nicht ablenkte. Was passierte, wenn seine Hände anfingen zu zittern. Wie jetzt.

Oh Gott. Er unterdrückte ein Stöhnen. Zwei Frauen drehten sich nach ihm um. Er kannte sie kaum. Finster starrte er sie an. Sie senkten den Blick und wandten ihm wieder den Rücken zu.

Die Sonne am Himmel war ein einziges Gleißen.
Brenn mir diese Gedanken aus dem Leib, dachte er. Bitte! Und diese Gefühle!
Aber die Sonne war nur die Sonne.
Sie hatte nicht die Kraft, ihm Wünsche zu erfüllen.
Diese Kraft hatte nur eine Fee.
Jung. Schön. Und unschuldig. Das vor allem.
Und nur für ihn auf der Welt

Die Tote lag unbekleidet im Unterholz. Sie lag auf dem Rücken. Die Arme hingen an ihrem Körper herab. Ihr rechtes Bein war leicht angewinkelt, das linke ausgestreckt.

Man hatte ihr die Haare abgeschnitten. Eine lose Strähne hatte sich an ihrer Schulter verfangen, andere waren weggeweht worden und hatten sich um Pflanzenstängel gewickelt oder an die raue Rinde von Bäumen geschmiegt.

Ihre Augen waren weit aufgerissen und starrten in den Himmel. Als wäre sie im Moment des Sterbens vor allem erstaunt gewesen.

Es waren Kinder, die sie fanden. Ein Junge und ein Mädchen, Geschwister, der Junge zehn, das Mädchen neun Jahre alt. Die Eltern hatten ihnen verboten, im Wald zu spielen. Sie hatten es trotzdem getan. Und waren entsetzlich dafür bestraft worden. Mit einem Anblick, den sie ihr Leben lang nicht vergessen würden.

Schreiend rannten sie davon. Schreiend stolperten sie über Wiesen und Weiden, kletterten über Zäune, krochen unter Stacheldraht hindurch. Als sie über den Hof der Ziegelei abkürzen wollten, wurden sie von einem Arbeiter aufgehalten. Er hörte sich an, was sie unter Schluchzen und Wimmern hervorbrachten, rief die Polizei und begleitete die Kinder ins Büro, wo ihnen die Sekretärin einen Kakao machte und die Mutter verständigte.

Es stellte sich heraus, dass es sich bei der Toten um ein achtzehnjähriges Mädchen handelte. Dass sie vergewaltigt worden war. Man fand sieben Einstiche an ihrem Körper, von denen schon der erste, der direkt ins Herz getroffen hatte, tödlich gewesen war.

Die Tote stammte aus Hohenkirchen, einem Nachbarort von Eckersheim, eine Schülerin, die noch bei ihren Eltern gewohnt hatte. Einer der Beamten der Schutzpolizei, die am Fundort gewesen waren, hatte sie identifizieren können. Und da er die Eltern kannte, hatte er sich bereit erklärt, ihnen die Nachricht zu überbringen.

Die Mutter brach an der Tür zusammen. Ihr Mann führte sie zum Sofa im Wohnzimmer und legte ihr eine Decke über die Beine. Dann schlug er dem Polizisten auf die Schulter und bot ihm einen Schnaps an.

So etwas taten Menschen unter Schock. Sie taten die seltsamsten Dinge. Einmal hatte der Beamte eine Frau erlebt, die bei der Nachricht vom Unfalltod ihres Mannes in die Küche gegangen war, sich kalte Hühnersuppe auf einen Teller gefüllt und dann mit einer Gier gegessen hatte, als sei sie schon lange nicht mehr satt geworden.

Der Name des Mädchens war Simone. Simone Redleff. Der ganze Ort nahm an ihrer Beisetzung teil. Es war die größte Beerdigung, die man in Hohenkirchen je erlebt hatte.

Der komplette zwölfte Jahrgang der Schule erschien. Die Mädchen hielten Taschentücher vor den Mund gepresst, die Jungen wischten sich die Tränen verstohlen mit dem Handrücken ab. Alle standen noch unter Schock. Der Tod war zu plötzlich gekommen, zu unerwartet. Doch das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war seine furchtbare, ausweglose Gewalttätigkeit.

Man hatte oft von solchen Gräueltaten gehört, aber nur von fern. Wenn so etwas einem aus ihrer Mitte zustoßen konnte, schienen die Leute zu denken, wo waren sie dann noch sicher?

In der Trauerhalle spielten sie Popsongs, die eine Freundin der Toten ausgesucht hatte. Die Melodien erfüllten den Raum mit den flackernden Kerzen und den nach Tod riechenden Blumen mit einer verzweifelten Traurigkeit.

Draußen schien die Sonne, als sei nichts geschehen.

Aber nichts würde mehr sein wie zuvor.

*

Der Mord an der achtzehnjährigen Simone Redleff hat, wie Hauptkommissar Bert Melzig von der Kriminalpolizei Bröhl bei der Pressekonferenz erklärte, große Ähnlichkeit mit zwei Morden, die vor einem Jahr in den norddeutschen Städten Jever und Aurich an jungen Mädchen begangen wurden. Beide Morde wurden bislang noch nicht aufgeklärt. Nähere Angaben wollte Melzig, um die Ermittlungsarbeiten nicht zu stören, nicht machen.

*

Er war hundemüde. Trotzdem schlief er lange nicht ein. Er liebte diese Halbträume, die zwischen Schlaf und Wachen zu ihm kamen und ihn beschäftigten, aber er hasste und fürchtete sie auch. Im Augenblick fürchtete er sie.

Krampfhaft bemühte er sich, an etwas anderes zu denken.
Es gelang ihm nicht. Wie Bumerangs kehrten die Bilder zu ihm zurück
Er spürte die Erregung noch immer. Es gab kein Gefühl, das nur annähernd so stark war.
Mädchen, dachte er, warum hast du mich getäuscht?
Sie war nämlich bei genauem Hinsehen überhaupt keine Fee gewesen. Nicht einmal wirklich schön. Ihre Stimme hatte vor Angst piepsig geklungen wie die eines Vogels. Das hatte ihn rasend gemacht. Er hasste dünne Stimmen, denen man die Furcht anhörte.
Und er hasste Angstschweiß.
Ihre Hände waren ganz glitschig gewesen.
Nicht, dass er tatsächlich an Feen geglaubt hätte. Er war ja kein Kind mehr. Außerdem hätte eine Fee mehr Macht, als ihm lieb sein konnte.
Sie sollte sein wie eine Fee. Wie die Fee in dem Märchenbuch, das er als Kind besessen hatte. Schlank. Mit weichem, glänzendem Haar.
Schön.
Große Augen. Die Wimpern lang.
Einzelheiten sah man nicht von weitem. Die erkannte man erst, wenn man sich auf einen halben Meter gegenüberstand. Und dann war es meistens schon zu spät. Immer entdeckte er eine Überraschung, auf die er nicht gefasst war. Schon ein Leberfleck an der falschen Stelle konnte das Bild zerstören.
Die in Jever hatte nach Rauch gerochen. Sie hatte ihm sogar eine Zigarette angeboten! Sie hatte kokett gelacht, den Kopf in den Nacken gelegt und den Rauch in die Luft geblasen und nicht geahnt, dass sie ihr Todesurteil längst unterzeichnet hatte.
Stöhnend drehte er sich auf die andere Seite. Er war froh, dass er sich ein Zimmer in dem kleinen Gasthof gemietet hatte und nicht mit den andern beim Bauern wohnte. Das Zimmer war klein und hässlich und hatte an Stelle eines Bads eine so genannte Nasszelle, die so eng war, dass er sich darin kaum rühren konnte. Es lag unterm Dach und war abends aufgeheizt von der Sonne. Aus dem Fenster sah man auf den Kamin des Nachbardachs. Aber die Miete war erschwinglich, und er musste nicht auf seine Freiheit verzichten.
Vor allem konnte er gefahrlos träumen.
Seine Träume waren nicht für Mehrbettzimmer geschaffen. Die Unruhe, die ihn oft schweißgebadet aufschrecken ließ, war nur schwer zu verbergen. Er durfte auch nicht riskieren, im Schlaf zu reden.
Nein, das hier war schon besser. Nahezu perfekt.
Wenn er nur endlich einschlafen könnte.
Er brauchte seinen Schlaf, um die Tage durchzustehen. Die Fassade zu wahren. Natürlich hatten die Bullen auch bei den Erdbeerpflückern herumgeschnüffelt. Und sie würden wiederkommen. Sobald sie einen Anhaltspunkt hätten.
Er drehte sich auf den Rücken und verschränkte die Hände hinterm Kopf.
Aber sie würden nichts finden.
Sie würden ihn nicht kriegen.
Das hatten sie nie geschafft.
Er lächelte in die Dunkelheit.
Und war bald darauf eingeschlafen.

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2
Die Entstehung des Erdbeerpflückers
 
                                 

Vor ein paar Jahren hat es meine Familie und mich in ein kleines Dorf in der Nähe von Köln verschlagen. Das Dorf bietet gerade mal den Luxus eines Briefkastens, einer Kneipe und einer Telefonzelle. Es ist umgeben von Feldern, auf denen Erdbeeren angebaut werden. Sommer für Sommer kommen zur Erntezeit Saisonarbeiter hierher und bringen Leben in das stille Dorf.

Als wir in unser Haus zogen, war Sommer. Die Erdbeerpflücker arbeiteten auf den Feldern, bunte Tupfer auf dem weiten Grün. Und ich dachte, was für ein schöner Buchtitel wäre das doch: „Der Erdbeerpflücker“. Ich hatte mir vorgenommen, als nächstes einen Krimi zu schreiben, wollte aber auch endlich meinen „Erdbeerpflücker“ verwirklichen. Also habe ich beides miteinander verbunden und meinen Krimi um einen Erdbeerpflücker herum geschrieben.

Und plötzlich sah ich die Saisonarbeiter in unserem Dorf und auch das Dorf selbst in einem ganz anderen Licht. Die Stille wurde manchmal bedrohlich, die Schatten schienen Kälte auszustrahlen. Auch den Duft der Erdbeeren, der in den Sommermonaten das Dorf einhüllt, nahm ich nun deutlicher wahr. Und jede Erdbeere, die ich aß, brachte mich dazu, auch in den unpassendsten Augenblicken in mein Buch abzutauchen. Meine Familie, monatelang mit Gedanken an Mord und Totschlag beschäftigt, war froh, als das Manuskript endlich fertig war.

Wir leben jetzt wieder in einem mehr oder weniger friedlichen kleinen Dorf. Und wenn die Einheimischen, die Hinzugezogenen und manchmal auch die Erdbeerpflücker (alle hübsch voneinander getrennt) beim Feuerwehrfest oder bei der Sommerkirmes zusammensitzen, dann genießen sie ihre Erdbeertorte ohne Gänsehaut.
Noch ...

Copyright: C.Bertelsmann     

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Verschiedene Ausgaben des Erdbeerpflückers ...
 
 
 bei Bertelsmann                als Sonderausgabe         bei Heyne                      die Ausgabe April 2008
 
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Der Erdbeerpflücker auf Englisch: The Strawberry Picker
 

It was one of those days when you could smell the heat. Skin burnt brown by the sun. Sweat breaking out of every pore the moment you moved. The kind of day that made him feel edgy and irritable. It was better not to get across him on such days....

Translated by Anthea Bell for Transworld Publishers

Jenna is sharing a flat with her friends Caro and Merle when a girl is murdered nearby. The murder seems to have parallels with two crimes that have taken place in northern Germany, where both girls had had their hair cut off and their necklaces were missing. Jenna and Merle are also worried about Caro. She has a secret new boyfriend who no one has met. Despite the fact he hasn't even told her his name and has barely touched her, Caro is undettered and makes herself particularly attractive in an effort to seduce him. A few days later, she's found murdered - and the murderer has taken her necklace. Jenna is determined to find her friend's murderer. At the funeral, she swears revenge in front of everybody, and in turn attracts the attention of George, a handsome and mysterious strawberry picker. Blinded by love, she ignores the parallels between her new boyfriend and Caro's secret lover until, with the police closing a net around the killer, the pair embark on a rendezvous in the woods. Soon, Jenna will have the answer to Caro's murder, but just as it's too late to save herself...
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6
Der Erdbeerpflücker auf Französisch: Le cueilleur de fraises
 
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7
Der Erdbeerpflücker auf Niederländisch: De aardbeienplukker
 

Het was zo'n dag waarop je de hitte kon ruiken. Door de zon verbrande huid. Zweet dat uit al je porien kwam zodra je bewoog. Een van die dagen die hem kregelig maakten, prikkelbaar. Een dag waarop je hem maar beter niet voor de voeten kon lopen.

De anderen waren dat stilaan al gewend. Ze lieten hem rustig werken, spraken hem aan, dempten zelfs hun stem als hij in hun buurt kwam.

Hij kon niet begriJpen dat er mensen waren die voortdurend praatten. Zowel ober belangrijke als onbellangrijke zaken stortten ze hun nietszeggende, domme, opgewonden praat uit. Als kind had hij al geleerd zich daartegen te wapenen door zich in zichzelf terug te trekken. Hij vond het geweldig dat hij de lippen van de anderen kon zien bewegen zonder dat er oo´k mar één klank zijn oren bereikte. Als een vis, dacht hij dan. Als een vis op het droge.
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