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Rbbonline - Sonja Gähler, Kulturradio am Morgen

Der kleine Gedanke ist jung, unerfahren – aber vorwitzig! Er tobt über den Schreibtisch der Schriftstellerin, die auch an diesem Tag das tun möchte, was sie immer tut: schreiben. Denn das ist ihr Beruf. Doch heute passiert nicht viel, es will sich keine gute Idee einstellen. Sie lässt ihren Blick schweifen, schaut aus dem Fenster, soll sie über den Garten schreiben? Über den Weidenbaum? Die Schlossruine?

Darin steckt aber noch keine spannende Geschichte. Und die Schriftstellerin merkt, dass ihr Thema im Moment doch eigentlich diese frechen Gedanken sind, die tun, was sie wollen. Als ihr eben wieder einer entschlüpfen will, folgt sie ihm. Der kleine Gedanke will frei sein und nicht mehr in irgendwelchen Köpfen gedacht werden. Er will raus. Er findet sich schön. Ist in sich selbst verliebt. Kreist um sich selbst. Bis ihm plötzlich auffällt, dass er blass und fade wird. Was ist das? Ein alter, gescheiterter Gedanke verrät ihm, was los ist. Gedanken müssen gedacht werden, um lebendig zu bleiben …

Ein feuerrotes Köpfchen, ein Körper aus Buchstaben – so sieht der kleine Gedanke aus, von dem Monika Feth erzählt und den Angela Kehlenbeck mit dem Zeichenstift zum Leben erweckt. Wort und Bild sind eng miteinander verwoben. Alles, was auf den ersten Blick einfach wirkt, ist facettenreich angelegt und findet seine gegenseitige Entsprechung. Wie ein Gedanke sich entwickelt, zum Gedankengang wird, wie man Gedanken schweifen und wandern lässt, bis sie Kontur angenommen haben und ausdrucksfähig sind, das ist beeindruckend umgesetzt. Die schwarzweißen Bleistiftzeichnungen bilden die Grundlage, aus der sich in satten Rot-, Grün- und Blautönen detailliert gemalte Bilder herauslösen. Der rote Kater, der grüne Park, das blaue Meer leuchten collagenhaft aus grau-zarten Skizzen. Der dichte Erzählton, der sich auf das Wesentliche konzentriert, macht verständlich, dass Literatur nicht Beschreibung sein, sondern von innen erlebt nach außen erzählt werden will.

© 2008 Rundfunk Berlin-Brandenburg
 

Die Geschichte vom kleinen Gedanken

27. Oktober 2008 | Von Simone Blaß

Monika Feths Bilderbuch “Der kleine Gedanke” ist ein besonders schönes Exemplar. Nicht nur, was die Aufmachung aufgeht, auch der Gedanke an sich ist etwas ganz Besonderes. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Sich Geschichten auszudenken, das ist ihr Beruf. Nur: Die Geschichten kommen einem ja nicht zugeflogen. Zumindest nicht immer. Zuerst muss da der richtige Gedanke sein. Und der lässt mal wieder auf sich warten. Aber dann huscht doch einer vorbei und den schnappt sich die Schriftstellerin. Obwohl er wie verrückt zappelt und versucht, in sein Versteck zurückzuhuschen, lässt sie ihn nicht los. Und hat damit ihre Geschichte. Die Geschichte vom kleinen Gedanken, der keine Lust mehr auf die Köpfe anderer hatte, dem Vorschriften zuwider waren und der sich nicht mehr einsperren lassen wollte. Er machte sich auf in die weite Welt und genoss seine höchstpersönliche Gedankenfreiheit. Doch nach und nach wurde er immer schwächer und farbloser, der kleine Gedanke, bis ihm klar wurde, dass ein Gedanke gedacht werden muss, um zu leben. Also ging er los, um sich einen passenden Kopf zu suchen…

Ein ganz wunderbares Bilderbuch nicht nur für Kinder. Denen gefällt zwar der Gedanke an den Gedanken, aber das Buch ist tiefgründiger und eignet sich auch ganz wunderbar als Geschenk für einen lieben Menschen, am besten einen von der schreibenden Zunft.

Auch die Illustrationen von Angela Kehlenbeck fallen angenehm aus dem üblichen Bilderbuchrahmen. Sie sind fast so etwas wie Collagen und es auf jeden Fall wert, in aller Ruhe betrachtet zu werden. Denn dann fallen einem Kleinigkeiten auf, die auf den ersten Blick gar nicht erkennbar waren. Zumindest nicht für Erwachsene, Kinder sind da ja bekanntlich viel schneller als wir.

Eltern-blog
 

Ulrich H. Baselau für den "Wittmunder BilderBuchBär"en

Gedanken haben kein Leben. Sie sind abhängig von dem, der sie denkt. Der alte Gedanke sagt sogar, wer nicht gedacht wird, „wird … schwach und blass“. Also sucht er sich einen Kopf, wird aber später gefangen und festgehalten. Sonst hätten wir ja nicht dieses schöne Bilderbuch.

Die Ausgangslage ist eher klassisch. Schriftsteller ohne Idee schreibt über einen Schiftsteller ohne Idee. Der Kater kommt herein, fordert sein Recht, draußen summt ein Rasenmäher, drinnen die Fliege. Es ist wie verhext, die Gedanken scheinen sich zu verstecken. Wechsel der Perspektive. In der Tat spielen die Gedanken Schabernack mit Monika Feth, besonders einer will sich nicht einsperren lassen, nie mehr. Er spürt den Drang nach Weite und Freiheit, folgt dem Ruf so lange bis ihn der Alte auf den Boden zurückholt: Gedanken müssen gedacht werden.

Soweit in Ordnung. Aber von wem will er denn gedacht werden, der kleine Gedanke? Er schaut sich um: Nein, nicht vom Griesgram, nicht von der brüllenden Mutter. Und auch wenn er zunächst Zukunft fröhlicher macht, wird er doch von der Autorin geschnappt. Gut für uns! Gut für ihn, dass sie ihn wieder frei lässt. Anschließend.

Eine schöne Idee von Angela Kehlenbeck, mit blassen Buchstaben bedrucktes Papier als Unterlage zu verwenden. Das merkwürdige Wesen, Gedanken von jemanden kennen zu lernen, den man selbst gar nicht kennen lernt. So ist es konsequent, wenn sie den personifizierten Gedanken aus gerissenem bedrucktem Papier mit einer Haarfrisur wie Pumuckel herstellt. Weiterhin dürfen in den verschiedenen Szene mitspielen: Fliege, Frosch, Vogel, Maus, Leibniz-Kekse (oh, wir wittern „product-placement“), chinesisches Papier-Schirmchen, das sonst wohl bei einer Eis-Creation den Gipfel macht. Damit kann man die eine oder andere witzige Situation zaubern. So scheint aus dem Ei im Nest eines Kuckucks ein kleiner Frosch mit goldener Krone zu springen, während der Vogel selbst nur Teil eines Fotos ist.

Die Zeichnungen / Collagen werden mehrfach plötzlich und unvermittelt bedeckt durch das kräftige rotbraune Fell des Katers, das sich im Fell eines Hundes kurzzeitig wiederfindet.

Kurz: Nach scheinbar bekanntem Beginn, eine furiose Entwicklung, die adäquaten Bildern begleitet wird – Nachdenken inklusive.
 

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